Wie ist das eigentlich genau …?! Rechts-vor-links – eigentlich ein klarer Fall, oder doch nicht?

Vorfahrt missachtet

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Kommt es bei einer Vorfahrtverletzung zu einem Verkehrsunfall, haftet der Wartepflichtige regelmäßig allein.

Ist an einer Kreuzung die Vorfahrt nicht durch Verkehrszeichen oder anderweitig besonders geregelt, gilt die Vorfahrtregel „rechts vor links“.

Daraus folgt, dass der von links kommende Verkehr gegenüber dem Verkehr rechts von ihm wartepflichtig ist.

Er darf sich der Kreuzung deshalb nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern, um gegebenenfalls die Vorfahrt zu achten. Diese Pflicht gilt allerdings auch für den Vorfahrtberechtigten. Denn dieser muss ggf. seinerseits dem aus seiner Sicht von rechts kommenden die Vorfahrt gewähren. Man spricht von „halber Vorfahrt“.

Das gilt natürlich nicht, wenn der von rechts kommendem Verkehr seinerseits keinen aus seiner Sicht von rechts kommendem Verkehr hat, dem er gegebenenfalls die Vorfahrt gewähren müsste.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass diese Pflicht des Vorfahrtberechtigten auch dem Wartepflichtigen zugutekommen kann. Gemäß § 8 Abs. 2 StVO darf sich der Wartepflichtige der Kreuzung nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern. Es würde sogar einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 2 StVO darstellen, wenn an einer unübersichtlichen Stelle zu schnell gefahren werden würde. Diese Vorschrift verfolgt den Zweck, Zusammenstöße an gefährlichen und unübersichtlichen Straßenstellen, wie sie Kreuzungen ohne Sicht auf die einmündende Straße immer darstellen, zu verhindern. Die Vorschrift dient daher auch dem Schutz des Wartepflichtigen, jeweils von links kommendem Verkehr.

Der Vorfahrtberechtigte muss dann von der Inanspruchnahme der Vorfahrt absehen, wenn er bei gehöriger Aufmerksamkeit in einem Zeitpunkt, in welchem er einen Unfall noch verhindern kann, eine drohende Verletzung seines Vorfahrtrechts erkennen muss. Es kommt nicht darauf an, ob der Vorfahrtberechtigte die Gefahr eines Zusammenstoßes rechtzeitig erkennt, sondern ob er sie bei Anwendung der von ihm als Kraftfahrer im Verkehr zu fordernden Sorgfalt erkennen muss.

Gelingt daher dem Wartepflichtigen der Nachweis, dass der Vorfahrtberechtigte im Hinblick auf seine eigene Wartepflicht zu schnell an die Kreuzung herangefahren war, ist regelmäßig eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten gegeben. Es hat sich durchgesetzt, dass in Fällen der „halben Vorfahrt“ eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten von 25 % anzusetzen ist.