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Nein, hier geht es nicht um den Impfschutz nach einer Corona-Impfung. Es geht um die Frage der Immunität nach einer Zuwiderhandlung im Straßenverkehr durch einen Diplomaten, durch deren Familienangehörige, durch deren Fahrer oder durch sonstige Personen und um die Konsequenzen, die daraus folgen oder aber auch nicht.
Es geht darum, ob und inwieweit dieser Personenkreis vor einer Ahndung durch ein Gericht oder eine Bußgeldstelle geschützt ist, ob und inwieweit Schutz gegen Ermittlungen der Strafverfolgungs- bzw. Bußgeldbehörden besteht. Es geht weiter darum, ob und welche Konsequenzen dies für den Geschädigten hat, der dummerweise durch einen Verkehrsunfall verletzt wurde, den u.U. ein Diplomat (oder sein Chauffeur) ggf. unter Einfluss von Alkohol verursachte und bei dem ein Sach- und u.U. auch ein Personenschaden entstanden ist.
Natürlich geht es auch um die Frage, ob für den Verursacher eine Sanktion (eine Strafe, eine Geldbuße, eine Entziehung der Fahrerlaubnis oder ein Fahrverbot) möglich ist oder nicht.
Angehörige ausländischer Konsulate haben darüber hinaus häufig ein massives Interesse daran, dass der Entsendestaat durch das Auswärtige Amt über eine im Raum stehende Zuwiderhandlung nicht einmal informiert wird.
Es stellen sich also etliche Fragen:
- Wer ist geschützt, wer nicht?
- Haben die „Narrenfreiheit“?
- Was hat es mit den „Diplomaten-Kennzeichen“ auf sich?
- Wie weit reicht der Schutz, gibt es also Schutz oder Nicht-Schutz oder gibt es „Grautöne“ dazwischen?
- Ist der Diplomat auch im Auto seiner Freundin „immun“ (Kennzeichen: B-XY …)?
- Ab wann gilt der Schutz?
- Bis wann gilt der Schutz?
- Für wen gilt der Schutz?
- Für wen gilt er nicht?
- Gilt der Schutz dienstlich oder auch im privaten Bereich?
- Kann dem Geschützten der Entsendestaat „in den Rücken fallen“, kann also das Heimatland auf die Immunität aufheben?
- Kann der Geschütze auf Immunität verzichten (und sich später darauf berufen)?
Diese Fragen sind für die Verursacher-Seite und für die Seite des Geschädigten (z.B. eines Unfalls) von erheblicher Bedeutung.
Dies ist ein Beitrag auf meiner Seite und kein Kommentar zum Rechtsstatus von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen im Straßenverkehr. Ich will hier die wesentlichen Punkte anspreche, nicht mehr und nicht weniger. Im Einzelfall ist eine fundierte Rechtsberatung – bzw. Rechtsvertretung erforderlich. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die hier angesprochenen Rechtsfragen nicht das „tägliche Brot“ des Verkehrsrichters, Staats- bzw. Amtsanwalts, des Sachbearbeiters einer Versicherung und/oder des Anwalts sind.
Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen u.a. genießen bei ihrem (dienstlichen) Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bestimmte Vorrechte und Befreiungen. Die Grundlagen für diese Privilegien finden sich in den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach dem Grundgesetz Bestandteil des Bundesrechtes sind und in besonderen völkerrechtlichen Verträgen.
Grundlegend sind das
- Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD) und das
- Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen (WÜK).
Es handelt sich bei beiden Verträgen um völkerrechtliche Verträge. Sie haben den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Bei beiden Verträgen kommt es nicht nur auf deren Wortlaut an, es geht vor allem um die Auslegung der Verträge durch die Gerichte und die Umsetzung der Verträge durch das Auswärtige Amt. Hier geht es ausschließlich um die Fragenkreise Immunität und Vorrechte (Anm.: Die Verträge regeln weitaus mehr).
Der Begriff der Immunität bezieht sich auf den rechtlichen Schutz, den Diplomaten u.a. im Gastland (also hier) vor Strafverfolgung und anderen hoheitlichen Maßnahmen haben.
Hierbei sind vielen Vorschriften des GVG, der StPO, des OWiG, der RiStBV und der MiStra sind zu beachten.
Es kommt für die Frage der Immunität und deren Reichweite auf verschiedene Begrifflichkeiten an, die ich hier kurz ansprechen möchte.
- Zu den Diplomaten zählen zum einen die Missionschefs, d. h. die beim Bundespräsidenten oder beim Bundesaußenminister akkreditierten Leiter der ausländischen diplomatischen Missionen: die Botschafter, der Apostolische Nuntius und die notifizierten Geschäftsträger.
- Diplomaten sind zum anderen die Mitglieder des diplomatischen Personals: Gesandte, Räte, Sekretäre und Attachés der Botschaften und der Apostolischen Nuntiatur sowie die Sonderattachés, z. B. Wirtschafts-, Handels-, Finanz-, Landwirtschafts-, Kultur-, Presse-, Militärattachés und die Botschaftsseelsorger und -ärzte.
- Familienmitglieder eines Diplomaten sind die mit dem Diplomaten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehepartner und Kinder, letztere jedoch nur bis zum 25. Lebensjahr und soweit sie unverheiratet und von dem Diplomaten wirtschaftlich abhängig sind.
- Mitglieder des Verwaltungs- und technisches Personals (VtP) sind die im Verwaltungs- und technischen Dienst der Mission beschäftigten Mitglieder ihres Personals, die weder als Mitglied des diplomatischen noch des dienstlichen Hauspersonals anzusehen sind. Beispiele hierfür sind Schreibkräfte, Kanzleibeamte und Übersetzer (soweit sie nicht als Ortskräfte angestellt sind).
- Mitglieder des Dienstlichen Hauspersonals (dHP) sind die als Hausbedienstete bei der Mission beschäftigten Mitglieder ihres Personals, z. B. Fahrer, Pförtner, Boten, Gärtner, Köche und Nachtwächter der diplomatischen Mission.
- Es gibt die Familienmitglieder des Dienstlichen Hauspersonals.
- Weiter gibt es die Ortskräfte der Mission. Dies sind Mitarbeiter einer ausländischen Vertretung, die auf dem lokalen Arbeitsmarkt angeworben werden und die nicht der Stellenrotation in einem ausländischen Auswärtigen Dienst unterliegen. Sie besitzen entweder die deutsche Staatsangehörigkeit, genießen als EU/EWR-Bürger oder Schweizer Staatsangehörige Freizügigkeit oder haben einen deutschen Aufenthaltstitel, der die Beschäftigung erlaubt.
- Reist ein nicht in Deutschland notifizierter Diplomat, ein Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals oder des dienstlichen Hauspersonals durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, um sein Amt in einem dritten Staat anzutreten oder um auf seinen Posten oder in seinen Heimatstaat zurückzukehren, stellt auch hier die Frage, ob und inwieweit er privilegiert ist.
- Es stellt sich ferner die Frage, ob und inwieweit Diplomaten, die deutsche Staatsangehörige besitzen oder in der Bundesrepublik Deutschland ständig ansässig sind, privilegiert sind.
- Zu den Berufskonsularbeamten zählen der Generalkonsul, Konsul, Vizekonsul, Konsularagenten und andere mit der Wahrnehmung von konsularischen Aufgaben beauftragte Personen.
- Für die Frage der Privilegierung sind zu beachten:
- die Familienmitglieder des Berufskonsularbeamten,
- das konsularische Verwaltungs- und technische Personal,
- die Familienmitglieder des konsularischen Verwaltungs- und technischen Personals (VtP),
- das dienstliche Hauspersonal (dHP) der berufskonsularischen Vertretungen
- das private Hauspersonal von Mitgliedern der berufskonsularischen Vertretung und
- die Ortskräfte der berufskonsularischen Vertretung.
- Es kann sich die Frage der Privilegierung stellen, wenn es um Berufskonsularbeamte, die deutsche Staatsangehörige oder in Deutschland ständig ansässig sind.
- Schließlich sind bei der Frage der Privilegierung zu beachten Honorarkonsularbeamte, Mitarbeiter und Personal in Honorarkonsulaten und ihre Familienmitglieder.
Für diplomatische Vertretungen und konsularische Vertretungen ist im Hinblick auf den o.g. dargestellten Personenkreis zu prüfen, ob und inwieweit (dienstlich oder auch privat?) sie sich auf Immunität berufen können – oder auch nicht.
Es ist zu klären, ob, ab wann und bis wann sie der o.g. Personenkreis sich auf Immunität berufen kann oder nicht. Es gilt auszuloten, was diese Immunität im Einzelnen ausmacht. Ob sie der Deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, ob sie bestraft werden können, ob eine Ordnungswidrigkeit geahndet werden darf, eine Fahrerlaubnis entzogen werden kann (und z.B. ein Fahrverbot ausgesprochen und vollstreckt werden kann). Es kann sich die Frage stellen, ob eine Fahrerlaubnisbehörde Maßnahmen gegen den o.g. Personenkreis ergreifen darf. Was ist, wenn eine Person sich (zunächst) nicht einmal auf seinen Status beruft, wenn er also z.B. eine Trunkenheitsfahrt begangen hat, ihm eine Blutprobe entnommen wurde, er bestraft wird oder sich erst im Nachhinein auf Immunität beruft? Kann der Einzelne auf Immunität verzichten? Kann der Entsendestaat eine bestehende Immunität aufheben, ob und wann wird er das tun?
Auch für den einzelnen Verkehrsteilnehmer können diese Rechtsfragen von Belang werden. Kommt es zu einem Unfall, wird sich der Geschädigte u.U. die Frage stellen, ob er Ansprüche geltend machen kann und wem gegenüber.
Der Geschädigte muss sich nicht mit der Botschaft bzw. dem Konsular auseinandersetzen. Im Hinblick auf die Versicherungspflicht gibt es bei Diplomaten- bzw. Konsularfahrzeugen keine Unterschiede oder Vorzüge. Mit anwaltlicher Hilfe ist über die Zulassungsstelle bzw. den Zentralruf der Autoversicherer die Haftpflichtversicherung dieses Fahrzeugs zu ermitteln. Hinweise zu den sog. Diplomatenkennzeichen finden sie hier.
Bei Fragen biete ich diplomatischen Vertretungen und konsularische Vertretungen, dem o.g. aufgezeigten Personenkreis und einzelnen Verkehrsteilnehmern in Verkehrssachen, bei denen die o.g. Fragen relevant werden, gerne an.